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Smarte Ziele und mehr

von Michael Schimpke (Kommentare: 0)

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Smarte Ziele und mehr

Nachdem ein Arbeitsbündnis zwischen Coach und Coachee hergestellt worden ist, werden im nächsten Schritt die Ziele für das Coaching heraus gearbeitet. Die Vorteile von Zielen liegen auf der Hand: sie geben Motivation und Antrieb, sie verleihen darüber hinaus Ausrichtung und Orientierung. Zu einem späteren Zeitpunkt kann man überprüfen, ob man seine Ziele erreicht hat, auf neudeutsch kann man seine Ziele "evaluieren". Anfang der 1970er Jahre wurde mit dem Aufkommen der Kurzzeittherapie die Bedeutung von Zielen in therapeutischen Prozessen immens erhöht. Mit Kurzzeittherapie sind einerseits der lösungsorientierte Ansatz von Steve de Shazer und andererseits das Neuro Linguistische Programmieren, NLP, gemeint.

Bei de Shazers Vorgehensweise werden die Klienten überhaupt nicht mehr nach ihren Problemen befragt sondern ausschließlich zu ihren Zielen interviewt. Dadurch verändert sich die Betrachtungsweise von Menschen, sie lernen, nicht mehr auf ihre Probleme zu starren sondern sich geistig mehr und mehr mit ihren Zielen und der Zielerreichung zu beschäftigen. NLP geht noch einen Schritt weiter und setzt zahlreiche Imaginationstechniken ein um Menschen auch auf einer unbewussten Ebene zu motivieren.

Im Businessbereich wurden die Zielaspekte aus der Kurzzeittherapie verkürzt und sind unter dem Akronym SMART sehr bekannt geworden. SMART stehe für:

- spezifisch (man arbeitet mit einer konkreten Situation)

- messbar (wie lässt sich die Zielerreichung überprüfen?)

- attraktiv (das Ziel sollte anziehend sein)

- realistisch (das Ziel sollte erreichbar sein und zwar für eine ganz bestimmte Person)

- terminiert (die Zielerreichung wird mit einem Datum verknüpft)

Dazu ein Beispiel:

Andreas Müller, 41 Jahre alt, Bereichsleiter IT bei einem mittelständischen Unternehmen beschließt zu Silvester 2016, dass er mehr Sport treiben möchte. Er hat früher Fußball gespielt, seit 10 Jahren beschränken sich seine sportlichen Aktivitäten auf gelegentliches Joggen und Schwimmen. Im Gespräch mit Freunden bei der Silvesterparty entsteht die Idee, gemeinsam am Berlinmarathon 2017 teilzunehmen. Ein paar Tage später unterhält sich Andreas mit einem Sportcoach über dieses Ziel. Der Coach geht nach der SMART-Methode vor und stellt dabei fest:

Das Ziel ist spezifisch. Andreas stellt sich vor, wie er die Marathonstrecke läuft, die Zielgerade nimmt und im Ziel ankommt.

Das Ziel ist messbar. Andreas hat gegoogelt und festgestellt, dass die Durchschnittszeit bei Männern im Marathon bei ca. viereinhalb Stunden liegt. Diese Zeit nimmt er sich ebenfalls vor.

Die Attraktivität des Ziels: Was bei einer leicht angeheiterten Partydiskussion noch sehr euphorisch erschien, hat jetzt ein wenig nachgelassen. Die Motivation wird klassischerweise mit einer Skala von 1-10 erfasst, wobei die 10 eine Topmotivation bedeutet, 5 eine mittelstarke Motivation und 1 eine geringe Motivation. Andreas sagt spontan, dass seine Motivation sich bei 6 befindet. Der Coach beglückwünscht ihn und erzählt ihm, dass die meisten Silvestervorsätze eher fremdgesteuert sind und selten mehr als eine 3 bei der Motivation erreichen. Auf der anderen Seite braucht man für ein Ziel wie einen Marathon erfahrungsgemäß schon mindestens eine 7. Um die Motivation zu erhöhen gibt es einen einfachen Trick, dazu später mehr.

Das Ziel ist für Andreas erreichbar. Er hat nur leichtes Übergewicht, Gelenke und Kreislauf spielen mit. Genügend Training vorausgesetzt könnte er den Marathon in der Zeit laufen, die ihm vorschwebt. Das steht allerdings ein "aber" im Raum, auf das wir gleich eingehen werden. Erreichbarkeit ist immer subjektiv. Für einen Leistungssportler sind natürlich ganz andere Ziele erreichbar als für einen Anfänger.

Das Ziel ist terminiert, der Berlin-Marathon findet stets am letzten Septemberwochenende statt. Was höchstens sein kann, ist, dass Andreas bereits Anmeldefristen versäumt hat oder die Veranstaltung schon ausgebucht ist. Ein kurzer Blick ins Internet kann diesen Punkt schnell klären.

Das SMART-Modell gibt also einen ersten Aufschluss, allerdings fehlt es noch am Finetuning. Im Integrativen Coaching werden weitere wichtige Punkte geklärt und dazu bedienen wir uns bei Techniken aus dem NLP und der Businesspsychologie.

Um die Motivation zu steigern, hat der amerikanische Psychologe Michael Pantalon eine erstaunlich einfache Technik entwickelt. Statt zu fragen "Wie kannst du deine Motivation von einer 6 auf eine 7 steigern?" stellt er die provokante Frage "Aus welchem Grund ist deine Motivation nicht noch niedriger als 6?" Oft sind Klienten über diese Frage verblüfft, teilweise sogar aufgebracht. Sie fangen an, Gründe für das Erreichen ihres Ziels aufzuzählen und entwickeln eine starke innere Motivation. Im Psychologenjargon drücken wir es so aus, dass sich ihr Commitment erhöht. Auch Andreas argumentiert eine Zeit lang und ist sehr erstaunt, dass sich seine Motivation plötzlich bei einer 8 befindet. Damit lässt sich weiter arbeiten.

https://www.dtv.de/buch/michael-v-pantalon-motivation-34846/

Ein weiterer Punkt, der beim SMART-Modell noch fehlt, ist die Ökologie des Ziels. Dies ist ein klassischer NLP-Begriff, der eine systemische Sichtweise ins Coaching hineinbringt. Gemeint ist die "Bekömmlichkeit" des Ziels. Ein Ziel kann Vorteile haben aber natürlich auch Nachteile. Nach den Nachteilen einer Marathonteilnahme befragt, gerät Andreas ins Nachdenken. Da ist vor allem der große Zeitaufwand für das notwendige Training. Am Anfang stehen sportliche Aktivitäten jeden zweiten Tag auf dem Programm, in der Schlussphase muss fast jeden Tag trainiert werden. Das hat Andreas unterschätzt, er fragt sich, ob noch genug Zeit für Job und Familie übrig bleibt. Er könnte natürlich auf das Training verzichten, aber dann stünde die Gesundheit auf dem Spiel. Immer wieder gibt es Todesfälle bei Laufveranstaltungen und davon sind fast ausschließlich untrainierte aber übermotivierte Läufer betroffen...außerdem ist für Andreas der Erfolg im Job aber auch Zeit mit der Familie wichtig. Zum Glück ist eine Lösung schnell gefunden - Andreas entscheidet sich für einen Halbmarathon. Dieses Ziel ist für ihn machbar und auch - ökologisch.

Es fehlt jetzt noch ein letzter Aspekt im Coaching: die sinnesspezifische Repräsentation des Ziels. Damit sind bildhafte Vorstellungen vom Ziel gemeint. Hier hat NLP Pionierarbeit geleistet, viele Sportler arbeiten im Mentaltraining mit Visualisierungen. Visuelle Vorstellungen helfen bei der täglichen Motivation. Besonders interessant sind Erkenntnisse über Bewegungsabläufe, die durch Visualisierungen trainiert werden. Wenn man einen Bewegungsablauf intensiv imaginiert, sind die gleichen Nervenzellen im Gehirn aktiv wie bei der tatsächlich ausgeführten Bewegung!

Damit beschäftigen sich Sportpsychologen wie Hand Eberspäche und es gibt zahlreiche Studien, die untersuchen, wie Imagination im Sport und in der Reha eingesetzt werden. Hierzu ein Beispiel:

http://jn.physiology.org/content/104/2/774.full

NLP fragt unter anderem nach einem inneren Bild vom Ziel, nach der dazu gehörenden Geräuschkulisse und nach den entsprechenden Körperempfindungen. Dazu befragt ist Andreas sehr kreativ - er sieht sich mit breiter Brust das Zielband durchstoßen (obwohl das eigentlich nur dem Sieger des Laufes zusteht), er hört Zuschauer, die ihm zujubeln und hat ein Gefühl von Leichtigkeit in den Armen und Schultern. Hier greift der Coach ein und macht den Vorschlag, nicht den Zieleinlauf zu visualiseren sondern das tägliche Training auf dem Weg dorthin. Denn es ist erfolgversprechender, sich im Alltag immer wieder zu motivieren und das kann mit simplen inneren Bildern geschehen wie "ich ziehe mir die Sneaker an und laufe durch den Stadtpark, höre dabei meine Lieblingsmusik und spüre die Energie in meinem Körper". Ein solches inneres Motivationsbild kann verankert werden und hilft Andreas, sich ganz konkret immer wieder an seine Trainingsroutinen zu erinnern. Denn wie hat es Thomas Edison so treffend formuliert:"Genie ist ein Prozent Inspiration und 99 Prozent Transpiration".

Andreas hat seine Ziel gehirngerecht formuliert und kann mit seinem Training für den Marathon starten. Sind Zielformulierungen auch bei Soft-Skills oder Fragen der persönlichen Entwicklung möglich wie "Ich möchte mein Selbstbewusstsein verbessern?" Selbstverständlich, dies ist allerdings etwas aufwändiger. Wenden Sie sich dazu am besten an einen Coach mit psychologischem Background.

 

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