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Kontakt in Therapie und Coaching

von Michael Schimpke (Kommentare: 1)

Kontakt in Therapie und Coaching

Stellen wir uns einmal ein typisches Erstgespräch im Kontext Therapie und Coaching vor. Herr Müller sucht psychologische Unterstützung und macht einen Termin mit einem Profi aus. Im ersten Gespräch wird er sich fragen: "Stimmt unsere Chemie? Kann ich diesem Menschen vertrauen?

Was der gesunde Menschenverstand uns sagt, ist mittlerweile auch in Psychotherapie und Coaching eingeflossen.

Im Integrativen Coaching ist der wertschätzende Kontakt zwischen Coach und Klient die unabdingbare Voraussetzung für eine produktive Zusammenarbeit. Die Grundlagen dafür sind Erkenntnisse über den zwischenmenschlichen Kontakt in unterschiedlichen therapeutischen Schulen. In der Hypnotherapie wird ein guter Kontakt zwischen Therapeut und Klient als "Rapport" bezeichnet, was sich mit Verbindung übersetzen lässt. Familientherapeuten bevorzugen den Begriff "Joining", womit ein Arbeitsbündnis für die Dauer der Therapie gemeint ist. Der bekannte Kurzzeittherapeut Steve de Shazer sprach in der ihm eigenen lapidaren Art schlicht und ergreifend vom "guten Draht". Last but not least stellt der Begründer der Gesprächspsychotherapie, Carl Rogers, das Statement auf "Es ist die therapeutische Beziehung, die heilt."

Auf welche Weise wird nun der Rapport hergestellt? Die Gesprächstherapeuten tun dies, technisch gesehen, durch paraphrasieren. Damit ist die wortwörtliche Wiedergabe von Klientenäußerungen gemeint. Natürlich wird nicht alles wiederholt, was der Klient sagt, sondern nur relevante emotionale Inhalte. Das Ziel in der GT (Gesprächstherapie) ist, dass die Klienten über ihre Gefühle sprechen und lernen, diese in Worten zu beschreiben - und dadurch auch präziser wahrzunehmen und zu bearbeiten.

Als weitere, fortgeschrittene Technik kennen Gesprächstherapeuten das Verbalisieren. Hierbei wird zwischen den Zeilen gelesen, die Therapeutin fasst etwas in Worten zusammen, was die Klientin so nicht gesagt sondern nur angedeutet hat. Beispielsweise kann die Klientin sich über vielfältige Probleme beklagen und die Therapeutin kommentiert "Das wirkt auf mich so, als würden Sie vor einem ganzen Berg von Problemen stehen." Wenn die Klientin sich in diesem metaphorischen Bild wiederfindet, kann über den "Berg" weiter gesprochen werden ("Wie hoch ist er? Wie kommen Sie drüber?"). Derartige innere Bilder sind ein Zeichen dafür, dass Klienten tiefer in ihre eigenen inneren Prozesse einsteigen.

NLP paraphrasiert ebenfalls und würde das Spiegeln von verbalen Inhalten als Pacing bezeichnen. Pacing im NLP umfasst aber noch wesentlich mehr, es geht auch um nonverbale Aspekte von Kommunikation wie Sitzhaltung, Bewegungen, Gestik, Atmung und so weiter. Die Begründer von NLP hatten Meistertherapeuten bei der Arbeit beobachtet und ihnen war das körpersprachliche Pacing aufgefallen und als therapeutisches Mittel erkannt worden. Beschrieben wurd das Pacing bereits 1979 in dem NLP-Klassiker "Frogs into Princes" von Richard Bandler und John Grinder. Pacing ist im Alltag durchaus anspruchsvoll, denn es verlangt, die Aufmerksamkeit fortwährend auf den Gesprächspartner zu richten und ihn zu sehen. Dazu muss man seine Wahrnehmungskanäle öffnen. Es handelt sich auch nicht um einen rein äußerlichen Vorgang, sondern es geht darum, die inneren Vorgänge des Anderen zu erfassen und in dessen Weltbild einzusteigen. Hintergrund dieses Ansatz ist der Konstruktivismus, also die Idee, dass jeder Mensch sein eigenes Weltbild konstruiert und aufgrund dieses inneren Bildes denkt, fühlt und handelt. Uninformierte Zeitgenossen haben das Paraphrasieren aus der GT als "Papageientechnik" verspottet und sehen das Pacing als reines Nachäffen. Beides ist grundfalsch. Die Techniken aus GT und NLP wirken nur dann, wenn Therapeuten ein echtes Interesse am Gegenüber haben. Ansonsten kommt nur ein aufgesetztes, nicht stimmiges Gespräch zustande, welches keine Substanz hat. Deswegen ist in der Ausbildung von Therapeuten und Coaches die Arbeit an der eigenen Kongruenz enorm wichtig.

Interessanterweise haben Wissenschaftler die nonverbale Seite von Therapie erst kürzlich entdeckt. Moderne Gesprächstherapeuten sprechen von "synchronisieren" und haben in ersten Studien herausgefunden, dass sowohl Beziehungsqualität als auch Therapieerfolg steigen, wenn eine nonverbale Synchronisation zwischen Therapeut und Klient vorliegt. Aufschlussreich ist der Artikel von Fabian Ramseyer, einem Psychologen der Uni Bern, aus dem Jahr 2010.

http://www.oeas.at/fileadmin/root_oeas/service/systeme/volltexte_1_2010/1_2010_Ramseyer_Nonverbale_Synchronisation.pdf

Ist ein guter Kontakt etabliert, werden Klienten kooperativer und lassen sich leichter auf ein "Leading" ein. Das bedeutet, dass sie eher Angebote des Therapeuten annehmen und beispielsweise in Trance gehen oder eine Visualisierungsübung mitmachen. Was das Leading angeht, unterscheiden sich die therapeutischen Ansätze deutlich. Die klassische Gesprächstherapie war noch "non-direktiv". Coaching und modern Kurzzeittherapie streben rasche Veränderungen an und sind wesentlich direktiver. Aber wie gesagt: ohne einen stabilen Rapport ist das nicht möglich. Wie schaut es eigentlich mit der therapeutischen Beziehung in der Verhaltenstherapie und der Psychoanalyse aus? Das werden wir in einen späteren Blogartikel besprechen.

Bei unserem Musterklienten Herrn Müller hat es übrigens funktioniert. Es wurde im ersten Gespräch ein tragfähiger Kontakt hergestellt, das Veränderungscoaching kann nun beginnen.

 

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